Solaranlage auf Einfamilienhaus im Schnee

Dach voll machen mit Photovoltaik: Lohnt sich das 2022 in der Schweiz?

In letzter Zeit hört man aus dem deutschen Photovoltaikmarkt den Schlachtruf: «Dach voll machen!» (Siehe zum Beispiel dieses Youtube-Video). Was ist damit gemeint? Es bedeutet, dass es sich in Deutschland aus wirtschaftlicher Sicht am meisten lohnt, möglichst grosse Anlagen zu bauen, d.h. das Dach voll machen. Natürlich ist die Dachfläche begrenzt. Wenn man eine grössere Solaranlage bauen möchte, muss man zwangsläufig auf den Dachflächen bauen, die weniger direktes Sonnenlicht erhalten – im Extremfall sogar auf der Nordseite, die naturgemäss am wenigsten Sonne abbekommt und wo dementsprechend die geringste Ausbeute an Solarstrom pro Flächeneinheit zu erwarten ist. Dies ist wohlgemerkt nur eine wirtschaftliche Betrachtung, die auch im gesamten Blogbeitrag gilt.

Gilt «Dach voll machen» mit Photovoltaik aus wirtschaftlicher Sicht auch in der Schweiz?

In der Schweiz gilt eine andere Art der Förderung der Photovoltaik als in Deutschland. Es ist deshalb aus wirtschaftlicher Sicht in der Schweiz nicht vorteilhaft, das ganze Dach mit Solarmodulen zu belegen. An einem Beispiel zeigt sich, dass die Amortisationsdauer von 17 auf 19 Jahre steigt und die Rentabilität sinkt, wenn man ein Satteldach auf Ost- und Westseite belegt anstatt nur auf der Westseite.

Auslegung einer Photovoltaikanlage

Möchte man eine Photovoltaikanlage bauen, so stellt sich immer die Frage: Wie gross soll denn die Anlage dimensioniert werden. Im Blogbeitrag über die Schweizer Solarrechner habe ich dargestellt, dass es in der Schweiz zwei «Standard»-Sichtweisen dazu gibt: Einmal kann man die Anlagengrösse am Strombedarf der Hausbewohner ausrichten. D.h. je mehr Strom im Haus verbraucht wird, desto grösser sollte die Solaranlage dimensioniert werden. Die zweite Sichtweise besteht darin, die am besten geeignete Dachfläche voll zu belegen, die anderen Dachflächen aber gar nicht.

Nun ist es klar, dass sich die Realität oft schwieriger darstellt. Was soll man z.B. machen, wenn die «beste» Dachfläche bereits mit Lukarnen, Satelliten-Schüssel und Schornstein bestückt ist? «Drumherum bauen» ist schwierig, da Solarmodule eine festgelegte Grösse von ca. 1 Meter mal 1.6 Meter haben. Dann wird z.B. auf weniger gut geeignete Dachflächen ausgewichen. Allein daran sieht man, dass es ein «richtig» und «falsch» nicht gibt.

In Deutschland ist deshalb in letzter Zeit die Aussage «Dach voll machen» immer populärer geworden. Hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen für den Einzelnen. Im grösseren Kontext aber auch, damit die Solarstromproduktion in Summe für ganz Deutschland die angepeilte Grössenordnung erreicht.

Wie legst Du die Photovoltaikanlage für Dein Dach aus? Respektive, wie willst Du sie in Zukunft auslegen? Über solche und ähnliche Fragen diskutieren wir in der Facebook-Gruppe Photovoltaik Schweiz.

Photovoltaik Förderung in Deutschland und in der Schweiz (für Hausdach-Anlagen)

Die direkte Photovoltaik Förderung auf Hausdächern (für grössere Anlagen gelten fundamental andere Bedingungen) in Deutschland besteht darin, dass der Einspeisetarif gesetzlich festgelegt ist. Der Einspeisetarif wird ungefähr monatlich angepasst und ist danach für den Hausbesitzer, der zu diesem Zeitpunkt die Solaranlage baut, für die nächsten 20 Jahre fest. Die deutsche Einspeisevergütung ist in den letzten Jahren konstant gesunken und liegt mittlerweile zumeist unter den Schweizer Einspeisevergütungen. (Die komplette Übersicht über die Ausgaben- und die Einnahmeseite von Solaranlagen in der Schweiz gibt es hier.)

Wichtiger ist in Deutschland allerdings die «indirekte» Förderung. Zum einen gibt es für den Bau von Photovoltaikanlagen (und Batteriespeichern) zinsgünstige Darlehen der staatlichen KfW-Bank. Der wichtigste Punkt ist aber, dass die Stromkosten in Deutschland mehr als 50% teurer sind als in der Schweiz. Für die Wirtschaftlichkeit einer Solaranlage in Deutschland ist es deshalb match-entscheidend, sowenig wie möglich teuren Strom aus dem öffentlichen Netz zu beziehen. Und man bezieht natürlich weniger Strom aus dem öffentlichen Netz, je mehr Strom man selbst erzeugt (und davon einen Teil verbraucht).

Und in der Schweiz? In der Schweiz ist die Förderung Photovoltaik deutlich anders geregelt. Das Hauptinstrument in der Schweiz besteht in der Einmalvergütung EIV. Dies ist eine Investitionshilfe. Bis zu 30% der Investitionskosten einer Solaranlage werden dabei einmalig vergütet. Die Einspeisevergütung hingegen ist nur insofern gesetzlich geregelt, dass sie sich an den «Preisen des Strommarktes orientieren» müssen. Da der Stromeinkauf von Elektrizitätswerk zu Elektrizitätswerk unterschiedlich ist, unterscheiden sich die Einspeisevergütungen auch von EW zu EW. Und sie sind auch nicht auf 20 Jahre in der Zukunft fixiert.

Der Ersatz von öffentlichem Netzstrom durch selbstproduzierten Solarstrom ist in der Schweizer Wirtschaftlichkeitsberechnung auch wichtig. Da jedoch die Schweizer Strompreise deutlich niedriger sind als in Deutschland, ist dieser Teil der Wirtschaftlichkeitsberechnung auch etwas weniger wichtig als in Deutschland. Möchtest Du von Deiner Solaranlage optimal profitieren? Dann lies in diesem Blogbeitrag, wie Du das erreichen kannst.

Strompreise: Marktpreise und Produktionskosten

Der Schweizer Strommarkt ist für Haushaltskunden (noch) nicht liberalisiert. Dies führt dazu, dass die kleinen Endkunden in der Schweiz vor allzu grossen Verwerfungen an den Strommärkten noch geschützt sind. So müssen z.B. Schweizer Stromversorger ihren Kunden Strom aus «günstigen» Wasser- und Atomkraftwerken – falls vorhanden – zu Produktionskosten (plus einem Zuschlag) verkaufen. Nur der zugekaufte Teil wird zu (Börsen-) Marktpreisen in Rechnung gestellt. Durch diesen Mechanismus mit den eigenen Kraftwerken werden allzu starke Schwankungen in den Börsenpreisen abgedämpft.

In Deutschland hingegen ist der Strommarkt auch für Kleinkunden schon seit mehr als 20 Jahren liberalisiert. Dies führt dazu, dass sich die Stromkosten für Endkunden an den Börsenpreisen ausrichten mit den entsprechend grossen Schwankungen. Sie werden nicht durch die Produktionskosten von Kraftwerken gedämpft.

Ergebnisse zum «Dach voll machen» in der Schweiz bei einem Ost-West-Satteldach

Um zu überprüfen, ob das Dach voll machen sich auch in der Schweiz lohnt, habe ich zum einen ein Satteldach mit Ost-West-Ausrichtung analysiert. Genauer gesagt, ist die Westausrichtung ein wenig mehr nach Süden ausgerichtet als rein nach Westen (also West-Süd-West wie die Segler sagen) und das Ostdach ein wenig mehr nach Norden (also Ost-Nord-Ost).

Dach voll machen
Satteldach mit Ost-West-Ausrichtung (Westdach in rot)

Die «bessere» Seite ist also die Westseite. Ich habe nun eine Solaranlage nur auf der Westseite mit einer Solaranlage auf West- und Ostseite verglichen. Jede Dachhälfte misst ca. 50 Quadratmeter. Genug Platz für ungefähr 10 Kilowatt Peak-Leistung. D.h. die «erste» Solaranlage besteht nur aus der Westseite mit ca. 10 kWp (im Bild in rot eingezeichnet), die «zweite» Anlage besteht aus Ost- und Westseite mit gesamthaft 20 kWp.

Um neutrale Daten zu erhalten und nicht von einem einzelnen Installateur abhängig zu sein, habe ich die Daten mit dem Solarrechner von EnergieSchweiz erhoben. Leider funktioniert dieser Solarrechner nur für eine Dachfläche. Für die Ost-West-Ausrichtung musste ich also Daten manuell nachberechnen. Dabei habe ich mich an die Vorgaben von EnergieSchweiz gehalten. Eben so wichtig: in beiden Berechnungen bin ich von 3 Hausbewohnern mit einem Stromverbrauch von 2’920 kWh (Vorgabe EnergieSchweiz) ausgegangen. Dies ist ja auch logisch. Schliesslich ändert sich die Anzahl Bewohner in einem Haus und deren Stromverbrauch nicht dadurch, dass eine andere Solaranlage auf dem Dach montiert ist.

In der folgenden Tabelle siehst Du die wichtigsten Daten:

 West-AusrichtungOst-West-Ausrichtung
Gesamtleistung10 kWp20 kWp
Erwartete jährliche Solarproduktion9’736 kWh17’505 kWp
Nettoinvestition Gesamtanlage 1)15’745 CHF23’925 CHF
Gewinn12’41914’062 CHF
Amortisationsdauer17 Jahre19 Jahre
Mittlere Rendite2.6%2.0%
Vergleich West- mit Ost-West-Ausrichtung einer Photovoltaikanlage
(1) nach Abzug KLEIV und Steuerersparnis

Man sieht in den Amortisationsdauern und der mittleren Rendite, dass diese recht nah zusammen liegen – schliesslich ist die zweite Anlage doppelt so gross wie die Erste. In Summe schneidet die reine West-Anlage etwas besser ab, mit einer um 2 Jahre geringeren Amortisationsdauer und einer um ungefähr einem halben Prozent besseren mittleren Rendite.

Ergebnisse zum «Dach voll machen» in der Schweiz bei einem Walmdach mit Süd-West-Nord-Ost-Ausrichtung

Eine ähnliche Analyse habe ich bei einem Walmdach durchgeführt. Ein Walmdach hat vier gleiche Dachflächen. In diesem konkreten Fall konnte jede Dachfläche eine Modulleistung von 5 kWp tragen. Als Annahme habe ich das Haus mit 4 Personen belegt.

Dach voll machen Schweiz: Walmdach
Dach voll machen Schweiz: Walmdach (Bildmitte); Süddach rot eingefärbt

Ich habe mir drei Belegungsalternativen angeschaut. Einmal wurden alle vier Dachflächen mit jeweils 5 kWp belegt (in Summe also 20 kWp), einmal die drei Dachflächen mit der höchsten Solareinstrahlung, also Ost-Süd-West und einmal nur die optimal ausgerichtete Südseite.

 Alle DachflächenOst-Süd-WestSüd
Gesamtleistung20 kWp15 kWp5 kWp
Erwartete jährliche Solarproduktion16’567 kWh13’367 kWh4’990 kWh
Nettoinvestition Gesamtanlage (1)23’925 CHF20’173 CHF10’140 CHF
Gewinn15’705 CHF12’787 CHF9’939 CHF
Amortisationsdauer18 Jahre18 Jahre16 Jahre
Mittlere Rendite2.2 %2.1 %3.3%
Vergleich zum Dach voll machen bei einem Walmdach
(1) nach Abzug KLEIV und Steuerersparnis

In diesem Fall schneidet die nur auf der optimalen Südseite angebrachte Solaranlage mit Abstand am besten ab. Rein aus wirtschaftlicher Sicht wäre die kleinste Anlage also die Rentabelste. Ob man dagegen alle Dachflächen, oder alle Dachflächen ohne die Nordseite belegt, macht keinen grossen Unterschied.

Können sich die Ergebnisse in Zukunft ändern?

Ja, die Ergebnisse können sich in Zukunft ändern. Vielmehr ist sogar damit zu rechnen, dass sich während der Lebensdauer einer Solaranlage von 30 Jahren die heutigen Annahmen teilweise deutlich ändern. Zu allererst könnte sich die Photovoltaik Förderung ändern. Dies ist in der Vergangenheit schon mehrfach geschehen und kann auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Zum anderen können sich natürlich die Preise für Solaranlagen ändern sowie die Strompreise und die Einspeisetarife.

Und zum Schluss wird sich natürlich über 30 Jahre das Verbrauchsverhalten im Haus ändern. Wird ein Elektroauto angeschafft? Wird die Wärme zukünftig über eine Wärmepumpe sicher gestellt? Dies würde den Stromverbrauch deutlich erhöhen, dadurch steigt der Eigenverbrauch des selbst produzierten Solarstromes und dadurch erhöht sich die Wirtschaftlichkeit. Auf der anderen Seite können Personen aus dem Haus ausziehen, der Stromverbrauch sinkt und damit auch die Wirtschaftlichkeit.

Bei aller Sorgfalt, mit denen die Berechnungen durchgeführt wurden, bleibt also immer noch eine Unsicherheit zurück. Niemand von uns weiss, wie sich die Zukunft entwickelt. Von daher können alle Aussagen nur nach dem heutigen Kenntnisstand getroffen werden.

Fazit zum „Dach voll machen“

In Deutschland wurde in letzter Zeit das «Dach voll machen» zum geflügelten Wort. Aufgrund der anderen Ausgangslage in der Schweiz in Bezug auf Strompreise und Förderung Photovoltaik ist dies aus wirtschaftlicher Sicht im Jahr 2022 nicht die profitabelste Option. Die profitabelste Option in der Schweiz ist es, das eine optimal ausgerichtete Dach mit möglichst viel Solar-Leistung zu belegen.